Mittwoch, 29. Dezember 2010

König Winter

Angeregt durch den vielen Schnee und das Gedicht 
"Der Winter kommt" von Nora Scholly
ist dieser Winter König entstanden.
 

  
Rau und kalt weht es von Norden,
graue Wolken hängen schwer,
dürres Laub fällt von den Bäumen,
wirbelt matt am Boden her.

Eines Morgens in der Frühe 
steigt der Nebel in die Höh`
und von allen Bergen nieder
strahlt es weiß - der erste Schnee!
Hoch auf fernem Felsenthrone
seht ihr ihn, den alten Mann?
König Winter ist gekommen,
tritt jetzt seine Herrschaft an.

Schneesturm schickt er in die Täler,
Bach und Fluss haucht er zu Eis,
und von seiner Macht bezwungen 
liegt die Erde still und weiß.


Ich wünsche allen einen schönen Jahreswechsel und alles Gute im neuen Jahr.



Montag, 27. Dezember 2010

Christrose


Von allen Blumen, die da blühn, 
der Tulpe stolz, der Lilie fein,
Vergissmeinnicht und Immergrün,
bist du mein liebstes Blümelein.
O Ros` aus einer Wurzel zart,
du Blümelein der Schmerzen,
von allen Blumen du allein 
solst blühn in meinem Herzen.

(Unbekant)



Donnerstag, 23. Dezember 2010

Gedanken zu Weihnachten




Wir haben größere Häuser,
aber kleinere Familien,
mehr Bequemlichkeit, aber weniger Zeit,
mehr Wissen, aber weniger Urteilsvermögen,
mehr Experten, aber größere Probleme.

Wir rauchen und trinken zu viel,
lachen wenig, fahren zu schnell,
regen uns unnötig auf,
sehen zu lange fern, stehen zu müde auf,
lesen zu wenig, denken selten vor,
halten keine Zwiesprache mehr.

Wir haben unseren Besitz vervielfacht,
aber unsere Welt reduziert.
Wir wissen, wie man den Lebensunterhalt
verdient, aber nicht, wie man lebt.
Wir haben dem Leben Jahre hinzugefügt,
aber können wir den Jahren auch Leben geben?

Wir kommen zum Mond,
aber nicht mehr zu der Tür des Nachbarn.
Wir haben den Weltraum erobert,
aber nicht den Raum in uns gefüllt.
Wir können Atome spalten,
aber nicht unsere Vorurteile.

Es ist die Zeit, in der es wichtiger ist,
etwas darzustellen als zu sein.
Wo moderne Technik einen Text wie diesen
in Windeseile in alle Welt tragen kann
und wo Sie die Wahl haben:

Etwas zu ändern
oder diesen Text ganz schnell zu vergessen.

Quelle; Helene Stoll, Hospiz-Zeitschrift DER WEGBEGLEITER 4 / 2007

Ich wünsche allen Leser/innen 
wundervolle,besinnliche Feiertage.

Sonntag, 19. Dezember 2010

Weihnachten mit Odysseus (Letzte Folge)

   "Heute, an Heilig Abend, sind ja die meisten Familien unter sich, so wie wir auch", erklärte Frau Schulze ihren Kindern, "aber wenn ihr möchtet, dann können wir Papas neuen Freund und dessen Frau ja für Morgen zum Kaffee einladen."
   "Au ja, au ja!" jauchzten da die Kinder und Odysseus blickte ganz gerührt.
   "Werden Sie kommen?" fragte er und sah mich dabei unsicher an.
   "Wir werden kommen", sagte ich mit fester Stimme, "den Weg", und dann verbesserte ich mich sogleich, "den Umweg zu Ihnen kenne ich nun ja!"

   Noch auf der Rückfahrt klang mir das helle Kinderlachen in den Ohren und ich freute mich auf den festlichen Abend mit meiner Frau, die gewiss schon ganz ungeduldig auf mich wartete. Aber fast noch ein bisschen mehr freute ich mich auf den morgigen Tag und auf ein Wiedersehen mit den strahlenden Augen von Fatima und Mehmet.


Aus: Stefan Grimm, Die Stadt in der Schachtel, Regia Verlag Cottbus 2004




Euch allen einen wundervollen vierten Advent!

Sonntag, 12. Dezember 2010

Weihnachten mit Odysseus (Fortsetzung)



   "Geddestraße?"
   "Ja, Geddestraße. Joann Wolfgang Gedde. Sie kennen bestimmt, Landsmann von Ihnen."
   "Goethestraße, stimmt, die ist da vorne. Aber wollten Sie nicht eigentlich zu Ihrer Familie nach Hause und Weihnachten feiern?"
   "Ja, Weihnachten feiern, aber Baum bei meine Schwager auf Balkon. Bitte, Herr, nix böse sein, meine Schwager is letzte Station von unsere Reise, dann fahren nach Hause."
   Die Familie des Schwagers wohnte Parterre in einem Mehrfamilienhaus. Auch hier wurden wir gastfreundschaftlich aufgenommen. Während Odysseus mit seiner Schwägerin in der Küche schwatzte, nahm mich sein Schwager beiseite und bot mir ein Bier an. Wir setzten uns an den Esszimmertisch.
   "Danke, dass Sie meinen Schwager hergefahren haben. Er ist noch nicht lange in Deutschland und tut sich noch etwas schwer. Zum Wohl!"
   Wir prosteten uns zu und nippten an unseren Nulldreifläschchen, während Odysseus grinsend im Türrahmen erschien.
   "Guter Mann!" sagte er und zeigte auf mich, "sehr guter Mann!"

   Wir verließen die Goethestraße mit einem schmucken Tännchen auf dem Rücksitz und den allerbesten Segenswünschen zum frohen Fest.
   Kurz vor sechs hielten wir dann endlich in der Beethovenstraße. Wir stiegen aus, Odysseus trug den Korb mit den Geschenken, ich hielt das kleine Tännchen fest umschlossen in meiner Hand.
   Odysseus schloss die Haustüre auf, machte Licht im Treppenhaus und wir stiegen hinauf in den zweiten Stock. Dort klopfte er an eine Wohnungstür. Kinderschreie im Flur: "Ich, ich, ich!" Nein, ich!" Dann wurde die Tür geöffnet und zwei Kinder standen da, Fatima und Mehmet, und riefen abwechselnd und im Chor: "Papa! Papa! Papa!"
   Wir betraten eine kleine, aber gemütlich hergerichtete Wohnung. Im Wohnzimmer stellten wir Korb und Tännchen ab und begrüßten Frau Schulze, die - typisch Weihnachten - mit einer Schürze aus der Küche kam. Odysseus begrüßte sie liebevoll und stellte mich als seinen großen Retter in der Not vor. Ich winkte bescheiden ab, genoss aber auch ein bisschen die Dankbarkeit, die mir von allen Mitgliedern der Familie entgegengebracht wurde.
   "Spiel mit uns! Spiel mit uns!" riefen die beiden Kinder und klammerten sich an mich, aber ich musste ihnen leider sagen, dass zuhause auch eine liebe Frau auf mich wartete.

   (Fortsetzung folgt...)


   Aus: Stefan Grimm, Die Stadt in der Schachtel, erschienen im Regia-Verlag in Cottbus

Allen einen wunderschönen dritten Advent !

Sonntag, 5. Dezember 2010

Weihnachten mit Odysseus (Fortsetzung)

Dort angekommen, stiegen wir aus, klingelten, fuhren mit dem Aufzug hinauf in den achten Stock und wurden oben bereits an der Wohnungstür freudig in Empfang genommen. Schon im Flur duftete es ziemlich penetrant nach einer Mischung aus Rotkohl, Kümmel und Weihnachtsgebäck, dezent umrahmt von kleineren Schwaden orientalischen Tabaks. Der Bruder meines Begleiters empfing uns herzlich und führte uns in die gute Stube, wo sich halb Bagdad oder Istanbul tummelte. Greise und junge Männer auf Sesseln und Sofas, dazwischen und auf den Schößen überall Kinder. Mein Begleiter stellte mich jedem einzeln vor und ich musste mich bücken und strecken, bis ich die fröhliche Runde endlich geschafft hatte.
    In der Küche tummelte sich ein knappes Dutzend Frauen und auch hier ein freudiges Halli und Hallo. Schwupps hatte ich einen Teller voller Gebäck in der Hand, wurde lachend wieder hinauskomplimentiert in die Stube, zum Sitzen genötigt und wenig später bekam ich eine süßduftende Tasse mit dampfendem Tee vor die Nase gesetzt.
   "Essen und trinken!" ermutigte mich mein Begleiter und einige seiner Neffen und Nichten umgarnten mich neugierig.
    Mein Begleiter suchte inzwischen die Geschenke für seine Familie zusammen und bereits nach einer Dreiviertelstunde verließen wir gestärkt und bei bester Laune die himmlische Hölle von Afghanistan.

   Auf der Weiterfahrt fragte ich meinen Begleiter ein bisschen aus ohne dabei allzu unhöflich zu werden.
   "Ich wusste gar nicht, dass auch Mohammedaner Weihnachten feiern", stellte ich fest, worauf sich mein Begleiter in einem Redeschwall ergoss.
   "Wir nicht nur Muslime. Manche von uns Hindus, manche Orthodox, andere Sufis, einige Christen, andere Buddhisten, sogar Rastafari in meiner Verwandtschaft und ein paar Voodoo-Leute. Aber alle sehr, sehr religiös. Un Weihnachten is Weihnachten und ein Gott is ein Gott!"
   Die Philosophie meines Begleiters war erfrischend und ich musste ein wenig in mich hineingrinsen.
   "Wie heißen Sie eigentlich?" setzte ich das Gespräch nach einer Weile fort.
   "Mein voller Name lautet Ismael Salomon Odysseus al Hafi Schulze."
   "Schulze?" nun musste ich wirklich lachen, "ausgerechnet Sie mit all Ihrem exotischen Drumherum heißen Schulze!"
   "Ja, Sie lachen, Sie froher Mensch, Sie glücklich, sehr schön! Heiße Schulze, weil mein Frau eine Deutsche und weil in Deutschland besser leben mit eine deutsche Name!"
   Natürlich, hätte ich mir ja denken können!
   "Nächste rechts", sagte mein Begleiter, den wir von nun an - nomen est omen - und der Einfachheit halber Odysseus nennen wollen.
   "Nächste rechts?" fragte ich zurück, "aber Sie haben doch gesagt, dass Sie in der Beethovenstraße wohnen."
   "Ich wohnen Beethovenstraße, richtig. Aber Bruder von meine Frau wohnen Geddestraße."

   (Fortsetzung folgt...)


   Aus: Stefan Grimm, Die Stadt in der Schachtel, Regia-Verlag Cottbus, 2004

Allen einen wunderschönen zweiten Advent!

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